Ende 2019 hielten wir bei einem Maschinenbauer in Köln einen Workshop ab. Bei diesem wollten wir den TeilnehmerInnen verdeutlichen, wie die Methode der Customer Journey angewandt wird. Also der Analyse des Empfindens eines Kunden bei jeglichem Kontakt zum Produkt/Unternehmen, um daran abgeleitet Lösungsvorschläge zu entwickeln. Wichtig dabei: Der Fokus liegt hierbei zu Beginn nur auf den Emotionen des Kunden und nicht auf den möglichen (internen) Problemen bzw. Ursachen. Diese werden erst später bearbeitet.
Warum wir uns für die Customer Journey entschieden haben? Die Umsatzzahlen unseres Kunden stimmten, die Auftragsbücher waren gut gefüllt und der Markt wächst. Jedoch wussten wir aus persönlichen Kundeninterviews, dass es hier und da hakt. „Eure Maschinen sind die besten am Markt, aber wenn ich nach der Auftragsbestätigung eine Frage habe, dann kann mir selten jemand helfen und ich fühle mich echt verloren. Das nervt und ist doch wirklich nicht nötig!“.
Wenn wir jetzt einfach die MitarbeiterInnen gefragt hätten, wo es im Unternehmen Verbesserungspotential gibt, wären sicherlich auch gute Ideen dabei rausgekommen. Aber: Die KollegInnen denken im Normalfall zu sehr aus ihrer persönlichen Rolle im Unternehmen, und viel zu selten aus Sicht des Kunden. Es geht darum Empathie mit dem Kunden aufzubauen. Sätze vom Kunden wie: „Wieso hab ich denn jetzt eine Mahnung bekommen? Ihr seid mit der Lieferung in Verzug, und ich werde abgemahnt? Da weiß ja A nicht was B macht…“ wirken stärker als die des Mitarbeiters: „Wir als Buchhaltung machen halt das, was uns das System vorgibt. Daher geht die Mahnung an den Kunden raus.“.
Nach dem How-to zeige ich auch, warum der Blick aus Kundensicht zur Konkurrenz lohnt: Denn der direkte Vergleich deckt nicht nur die eigenen Baustellen auf, sondern kann einen auch auf ganz neue Ideen bringen.
Unser Beispiel war eine echte Journey, welche ich kurz zuvor selbst so erlebte: Die Reise durch China im Hochgeschwindigkeitszug mit 350 km/h Spitze (wobei die Spitze 90% der Zeit anhielt) von Peking nach Shanghai. Einer Entfernung vergleichbar mit Hamburg-Venedig (1300km) in 4:30 Stunden, und das für umgerechnet 70€.
Wie sehr mir diese Fahrt die Probleme der Digitalisierung in Deutschland bewusst machte, schildere ich bald in einem anderen Beitrag.
Customer Journey – How-to?
- Vorbereitung
Alles was man für die Customer Journey benötigt ist eine Wand oder, wie in unserem Fall, große Papierblätter (damit man es frei bewegen kann), Post-its (3 Farben) und Stifte. Als x-Achse zieht man eine lange (horizontale) Linie (welche den Zeitstrahl darstellt). Auf die y-Achse klebt man noch einen glücklichen (obere Hälfte) sowie einen traurigen Smiley (untere Hälfte), welche die Stimmung auf dieser symbolisieren.
Fragen die ich mir am besten im Vorfeld stelle:
– Welchen Zeitraum möchte ich betrachten?
– Wer ist meine Persona? Also mein individueller Kunde, den ich betrachten möchte?
- Notieren der Tätigkeiten
Nun notiert man jeglichen Kontakt des Kunden (Nutzers) bzw. dessen Interaktion mit dem Produkt (dem Unternehmen, der Marke, den Mitarbeitern), als kurzes Stichwort auf einen Post-it. Beispielsweise „Kauf des Bahntickets„, „Ticketkontrolle„….
Natürlich kommt es vor, dass man solch eine Tätigkeit weiter unterteilen kann, da es sich eher um eine Überschrift handelt. Alleine den Ticketkauf könnte man in 10-20 Schritte aufsplitten, denn es gibt unterschiedliche Wege des Kaufs, der Verbindungssuche, der Bezahlung und und und. Es ist jedem selbst überlassen an welcher Stelle man wie tief eintaucht. Im Prinzip macht man dann eine Customer Journey innerhalb einer Customer Journey.
- Einsortieren
Chronologisch (x-Achse)
Nun klebt man die Tätigkeiten zeitlich logisch auf die x-Achse (z.B. Ticketkauf vor der Ankunft im Zielbahnhof). Anschließend bewegen wir die Zettel auf der y-Achse. Nämlich:
Emotional (y-Achse)
Wie ist die Stimmung des Kunden bei der jeweiligen Tätigkeit? Hier gibt es alle Möglichkeiten zwischen: „Wow, besser kann es nicht sein!“ (ganz weit oben), über „Das berührt mich emotional nicht wirklich“ (genau auf der x-Achse) bis hin zu „Alter, am liebsten würde ich den Laden verklagen!“ (gaaaanz weit unten). Aber auch die Nuancen sind wichtig: „Ui, das war aber besser als erwartet“ (etwas über der x-Achse), „Grrr… warum muss das so kompliziert sein?“ (irgendwo im mittleren, unteren Bereich).
- Bewegen
Das schöne an den Post-Its: alles bleibt beweglich und veränderbar. Dir ist noch ein Zwischenschritt eingefallen? Die Stimmung ist doch nicht so schlecht wie ich zuerst angenommen habe? Egal, ich bewege es einfach so lange, bis ich zu einem finalen Standpunkt komme.
- Emotionen / Begründung notieren
Warum wurde der Zettel auf der y-Achse dort hingeklebt wo er nun hängt?
„Die Toiletten sind einfach ekelig und irgendwas ist immer defekt oder leer.“
Hierfür verwenden wir am der Übersichtlichkeit wegen eine andere Farbe.
[Hinweis: Diesen Schritt sieht man auf meinen Fotos nicht.]
- Verbinden
Nun verbindet man die Post-Its mit einer Linie bzw. Kurve. Hier kommt es nicht auf Millimeterarbeit an, also ruhig locker aus der Hand eine Kurve malen. Am besten mit einem dicken Stift.
- Analysieren (externe Sicht)
Nun wird es spannend! Wir schauen uns einmal das gesamte Bild an.
– Wie verläuft die Kurve?
– Ist das Gesamtbild eher positiv oder negativ?
– Was fällt uns sonst noch auf?
Am meisten lernen können wir von den negativen Ausschlägen. Wichtig hierbei ist es, in der Außenperspektive (des Kunden) zu bleiben!
– Wo hatte der Kunde seine schlechtesten Erfahrungen?
– Warum hatte er diese?
- Analysieren (interne Sicht)
– Wieso ist dieser Fehler / dieses Problem überhaupt aufgetreten?
– Gibt es (aus Unternehmenssicht) interne Gründe?
- Lösungsvorschläge erstellen
Abgeleitet aus der Analyse, können wir nun beginnen mögliche Ideen zu generieren. Wenn die Ideen nicht direkt kommen, hilft es sich folgende Fragen zu stellen:
– Was müsste (aus Kundensicht) passieren, damit er das nächste Mal positiver gestimmt ist?
– Welchen Prozess müssen wir intern anfassen, damit dieser Fehler beim Kunden nicht mehr aufschlägt?
Mögliche Ideen werden auch hier auf Post-its notiert und in die Nähe des Problems geklebt.
Diesen Schritt wiederholen wir bei ‚allen‘ negativen Zetteln, bis wir alle Probleme analysiert und mögliche Ideen dazu erdacht haben. Sehr oft merkt man dabei, dass ein Problem, welches zeitlich eher spät eintritt, seine Ursache schon sehr viel früher hatte. Dies kann auch bedeuten, dass ein Lösungsvorschlag mehrere Probleme beheben kann.
- Das Ergebnis
Eine komplette Customer Journey:
- Umsetzung / Priorisierung
Welche Ideen in die Umsetzung gehen hängt ganz von deren Größe und Aufwand ab. Dazu kann man grob Punkte für den Impact (Nutzen) und Cost (Aufwand) vergeben, und dann z.B. in eine Tabelle übertragen. Ich empfehle erst einmal die sogenannten low-hanging-fruits abzuarbeiten (sehr niedriger Aufwand) und anschließend die mit einem Nutzen für mehr als ein Problem um Folgefehler gleich mit auszumerzen.
Und wie kann man da jetzt von der Konkurrenz lernen?
In Beispiel sieht man eine Customer Journey: Meine Zugfahrt von Peking nach Shanghai. Um jetzt aber von der Konkurrenz zu lernen, nehme ich alle Kontaktpunkte / Interaktionen und ziehe dort eine Kurve, wo ich emotional bin, wenn ich mit der Deutschen Bahn verreise und erhalte eine völlig andere Kurve.
Wenn man die Flächen dann noch mit Farbe füllt, kommt die Deutschen Bahn doch eher schlecht weg. Zumindest in meinem persönlichem Empfinden. Bei anderen Personas können die Kurven selbstverständlich anders verlaufen.
Genau hier kann ich jetzt ansetzen. Worin unterscheidet sich mein Produkt zu dem der Konkurrenz? Was macht sie anders? Bei diesem Beispiel macht der Mitbewerber eigentlich alles besser, außer vielleicht beim Buchungsprozess: das liegt aber ehrlich gesagt wohl daran, dass ich schon mehrfach einen Zug in Deutschland gebucht habe 😉
Habe ich dein Interesse geweckt? Das freut mich! Und wenn auch du einmal einen Workshop mit mir machen möchtest, kontaktiere mich doch gerne! Meine Kontaktinformationen findest du hier.